Am 08. und 09. April 2023 fand die 10. Edition des So you think you can longboard dance — kurz SYCLD — Contests in Eindhoven statt. Vor genau 10 Jahren habe ich mir diesen Contest zum ersten Mal angesehen und bin seither jedes Jahr dort. Der Contest zählt zu den größten überhaupt in der Longboard Dancing Szene und ist glücklicherweise nur 140 km von Köln entfernt. Im Gegensatz zu mir muss der Großteil der Teilnehmenden und Zuschauenden deutlich weiter anreisen. Auch in diesem Jahr waren wieder einige Teilnehmende aus ganz Europa, sogar aus Korea, Brasilien und den USA dort. Und genau deshalb ist SYCLD ein absolutes Highlight der Longboard Dancing Szene, bei dem neben dem eigentlichen Contest die Zusammenkunft der Community ganz klar im Vordergrund steht. Vor allem in Deutschland ist die Szene über die Corona Zeit sehr gewachsen. Berlin hatte schon immer eine aktive Szene, aber auch in Köln und insbesondere im Ruhrgebiet sind viele neue Gesichter in den letzten Jahren dazugekommen. Ich freue mich sehr über diesen Zuwachs, denn neue Leute bringen auch immer neuen Wind mit sich. So kommt es, dass sich in Deutschland in den vergangenen Jahren einige lebendige Community entwickelt haben.
Für gewöhnlich beginnt das Event bereits am Freitag, an dem bei gutem Wetter am Stadhuisplein mitten in der Innenstadt eine riesige Skate-Session abgehalten wird. Der Contest selbst lief dieses Jahr zum ersten Mal anders ab: Die Teilnehmenden waren in Intermediate und Pro unterteilt, wobei diese Einteilung nach subjektivem Empfinden stattfand. Während früher beide Gruppen jeweils für einen Tag eingeteilt waren, fanden die Vorrunden beider Gruppen am Samstag und das Finale dann am Sonntag statt. Die Gruppen waren jeweils nochmal unterteilt in Women und Open, sodass am Ende des Events insgesamt 4 Podien zu je 3 Plätzen besetzt wurden.
Die Runs
Ein Run dauerte 1 Minute. In dieser Zeit hatten alle Teilnehmenden die Möglichkeit, ihr bestes Können zu zeigen, um schließlich eine Runde weiter zu kommen. Wie immer war die Anzahl teilnehmender Männer deutlich höher als die der Frauen, doch vor allem die Kategorie der Intermediate Women war recht groß. Für alle Kategorien waren 3 Heats vorgesehen, in denen sich die Zahl der Teilnehmenden mit jedem Heat weiter verringerte, bis für das Finale 6 Personen / Kategorie übrig blieben. Mir ist stark aufgefallen, dass beim diesjährigen SYCLD das Level der Intermediate Fahrer*innen deutlich höher und der Abstand zwischen Intermediate und Pro schmaler geworden ist. Ich denke, dass das vor allem an Social Media und der leichten Zugänglichkeit zum Sport liegt. Inspirationsvideos und Trick Tip Videos sind massenhaft verfügbar und es gibt viele Personen, die Unterricht anbieten. Insbesondere die Intermediate Kategorie der Frauen hat mich dieses Jahr sehr beeindruckt. Das Level schien mir deutlich höher zu sein als in den Jahren zuvor.
Außerdem habe ich mich gefreut, Valeriya Gogunskaya persönlich kennenzulernen und skaten zu sehen. Sie bietet Longboard-Camps in Portugal an und hat eine sehr hohe Reichweite auf Social Media. Besonders schätze ich sie für ihren energetischen Fahrstil und die schwierigen Step Kombinationen. Zudem war die Performance von Chaewon Lee, Gewinnerin der Women Pro Competition, absolut herausragend. Sie ist 13 Jahre alt und extra mit ihren Eltern aus Südkorea angereist. Ich habe mich gefreut, sie fahren zu sehen und hoffe, dass sie als so junge Person auch andere in ihrem Alter inspiriert hat. Auch wenn es in Korea viele junge Menschen gibt, die enorm gut mit und auf dem Longboard “dancen”, ist es hier in Europa eher eine Ausnahme. Es gibt viele weitere nennenswerte Personen und eine ausführliche Beschreibung würde sicher den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Die beiden fallen mir spontan deshalb ein, weil ich sie zum ersten Mal live getroffen habe.
Die Ergebnisse der vier Kategorien und viele weitere Informationen rund um den Contest findet ihr hier.
Danach
Im Nachhinein gab es einige Diskussionen innerhalb der Community über die Verteilung der Podiumsplätze beim diesjährigen SYCLD. Die Kritik kommt vor allem deshalb, weil die Runs zu “Trick-lastig” waren und zu wenig divers. Ich selbst muss dem zustimmen, zumindest was die Open Pro Kategorie angeht. Dennoch muss ich auch sagen, dass das Level extrem hoch war und viele gute Final-Runs stattgefunden haben. Die Teilnehmenden lagen zum Teil nur 0.01 Punkte auseinander. Die Entscheidung über die Plätze hängt letztlich nicht nur von der Performance der Fahrenden ab, sondern auch von den Vorlieben der Jury — insbesondere dann, wenn die Punkte so nah beieinander liegen. Letztlich fußt auch jegliche Kritik auf einer persönlichen Meinung, die nicht unbedingt mit der der Jury übereinstimmen muss. Bei aller Kritik an der Jury sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sie kein Geld dafür erhalten und einen hohen Beitrag leisten, damit das Event überhaupt erst möglich ist.
Ich bin gespannt, wozu die Diskussion führt und wie zukünftige Veranstaltungen damit umgehen. In meinen Augen macht eine Trennung von Tricks und Steps wenig Sinn, denn eben in der Fusion beider Aspekte liegt die Essenz von Longboard Dancing. Es geht dabei auch um die Frage, was den Sport von anderen Sportarten unterscheidet. In den Ursprüngen des Sports sehe ich nicht die zwingende Verbindung zum Tanzen als Sportart, auch wenn der Begriff des Dancings diese Verbindung nahelegt. Bei einer direkten Übersetzung ist die Terminologie des Dancings vielleicht nicht zu 100% zutreffend. Eine reine Trick-Performance im Flat hingegen würde ich eher dem Freestyle-Skateboarding zuordnen. Generell ist es so, dass der Sport noch relativ jung ist und einem ständigen Wandel mit neuen Einflüssen unterliegt. Diese Einflüsse sind häufig entscheidend für neue Trends und Entwicklungen, die es zuvor noch nicht gegeben hat. Das Schöne war schon immer und ist es auch immernoch, dass aufgrund der Regellosigkeit auch irgendwie alles erlaubt ist. Der Sport lebt von der Varianz an Styles und Individuen.